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hackergotchi

October 24, 2009

Kopfhaut

Filed under: news -- 20:12

Nein, nicht der grossartige Ärzte Song.
Leider.

Der Mensch muß ja ab und an mal Nahrung zu sich nehmen. Und weil das so ist,
muß man hin und wieder einmal auch etwas zwecks Verköstigung einkaufen.

So auch ich. So auch heute.
Ich gehe also in ein entsprechendes Geschäft meiner Wahl. Zweckmässiger Weise,
nehme ich das, welches in kürzester Schlagdistanz zu meiner Wohnung liegt.

Als ich also mit dem geschäftlichen Teil fertig bin fällt mir ein junger Mann
in der Schlange an einer anderen Kasse auf - zum Bezahlen muß man ja schon mal
seine musikalische Berieselung mittels Ohrhörern für kurze Zeit unterbrechen -
der sich einigermaßen ungesittet benimmt. Der Grund ist schnell ausgemacht,
denn der Herr ist offenbar ganz gut betrunken. Das ist in der Ecke, in der der
Laden in dem all dies stattfindet nicht weiter bemerkenswert - daran sind
Kunden und ich denke auch die Belegschaft gewöhnt.

Also stecke ich während ich meine Tasche mit dem Erworbenen befülle wieder
meiner Ohrhörer mit dem bezaubernden Death Metal in die Ohren. Ahhh, die Ruhe
kehrt zurück...

Als ich fertig bin und den Laden verlasse habe ich den jungen Mann schon fast
wieder vergessen. Allerdings ist er wohl durch "aktives Anstehen" (lies:
pöbeln und Vordrängeln) wohl recht zügig mit seinem Einkauf fertig geworden.
Er muß nur wenige Sekunden nach mir den Laden verlassen haben, denn er
überholt mich zügigen Schrittes nach nur wenigen Schritten an der frischen
Abendluft.

Ich werde nicht sonderlich häufig überholt, da ich für gewöhnlich einen
relativ schnellen Gang an den Tag lege. So fällt mir der Herr, der mich nun
von links überholt natürlich auf. Ich schaue kurz rüber; der Kerl faselt
irgendwas. Juckt mich nicht sonderlich - ich höre ihn eh nicht, da meine Ohren
ja in der wunderbaren Welt der etwas ruppigeren Gitarrenmusik verweilen.

Ich schaue also wieder nach vorn. Und der junge Mann setzt seinen
Überholvorgang fort. Er ist nun vor mir und in meinem Sichtfeld. Auf einmal
reist er seinen rechten Arm hoch und legt einen recht akkuraten Hitlergruß
hin.

Zuerst dachte ich ja ich hätte mich verguckt, aber nur Sekunden später haut er
einen weiteren Gruß dieser Art raus.

Nach der dritten Inkarnation dieser Straftat (ohne ein Anwalt zu sein, wenn
ich nicht irre steht die Verwendung des Grußes in Deutschland - solange nicht
im Zusammenhang geschichtlicher "Berichte" - unter Strafe) dreht er sich zu
mir um und bedeutet mir, das er mir etwas mitteilen will.

Freundlich wie ich nun mal bin (*schenkelklopf*) fummele ich die Musik aus
meinen Ohren und frage "Bitte?".

Er schaut recht grimmig drein und teilt mir folgendes über sich mit "Ich bin
Skinhead, Alter! Skinhead. Ich hasse dieses ganze ...pack.". Was genau er nun
bei den drei Punkten gesagt hat, kann ich nicht genau sagen. Er stand nun
einmal doch schon unter starkem Einfluß der Volksdroge Nummer eins.

Nun muß man zu dem Typen sagen, das er ja eine Menge war. Aber ein Skinhead?
Nein, das nun wirklich nicht. Ich würde seine Haarlänge mal auf so 3-4
Zentimeter schätzen, was ihn als solchen nun wirklich nicht qualifiziert. Auch
die sonst zur Skinuniform gehörenden Accessoires wie Bomberjacke, Stiefel oder
ähnliches suchte man bei ihm vergebens.

Natürlich war ich auf so eine Nummer nicht wirklich vorbereitet... Daher war
das einzige, daß mir dazu einfiel ein mit hochgezogener Augenbraue
vorgetragenes "Oh, tatsächlich?"...

Im selben Moment fing ich auch schon wieder an, meine Ohrhörer in Position zu
bringen, denn ich hatte nicht das Gefühl, das sich da nun eine innige
Freundschaft entwickeln würde. Als ein Ohr schon wieder den Klängen einer
skandinavischen Kapelle lauschte, bekräftigte der junge Mann nochmals seine
Aussage mit einem prägnanten, "Ja Mann. Skinhead. Sieg Heil!".

So trennten sich unsere Wege wieder. Er in die eine Richtung mir erhobenem
rechten Arm pöbelnd und ich in die andere Richtung, leicht perplex - ob des
gerade erlebten - mit schüttelndem Kopf.

Ich wohne hier ja in einer Gegend in der sehr viele ausländische Mitbürger
wohnen. Der Fakt alleine machte den ganzen Vorfall noch eine Nummer
unangenehmer.

Das Ganze kann auch als Paradebeispiel für einen Satz, den ich glaube
ich bei Arthur Conan Doyle gelesen habe herhalten:
  "Dummheit und extreme Gesinnung werden immer wieder zueinander finden."

Kann ich unterschreiben.

Trotzdem finde ich es ziemlich traurig, daß es auch heute noch solche
Intoleranz und blanken Hass gibt. Wenn man - so wie ich - in seinem Umfeld
so gut wie nicht damit in Berührung kommt, dann ist man immer wieder ganz
erheblich geschockt, wenn einem solch völlige Abstinenz von gesunden
Menschenverstand gegenüber steht. Die Gründe für eine solche Geisteshaltung
(oder sollte ich nur Haltung schreiben? Geist klingt in dem Zusammenhang wohl
doch eher nach blankem Hohn) sind mir auch einigermassen schleierhaft.


Für die Zukunft würde ich mir wünschen, daß sich der Nazinachwuchs entweder
selbst entblödet, oder sich zumindest jemand anderen zum Spielen sucht.
Rückwirkend betrachtet muß ich wohl froh sein, daß ich nicht wirklich ein
südländisches Äusseres habe. Das mag mir bei den Damen schlechtere Karten
geben, dürfte mir aber heute Abend ein wenig Ärger erspart haben.

Der junge Mann von gerade darf sich - wenn er denn wieder nüchtern ist - gern
auch einmal zum Bleistift bei wikipedia darüber informieren, woher der Begriff
Skinhead eigentlich kommt und welche verschiedenen Bedeutungen er auch heute
noch hat. Wobei, Informieren und Nazi, das beißt sich.

Ich für meinen Teil habe heute glaube ich Lust auf Şiş Kebap von den
türkischen Freunden aus der Nachbarschaft. :)

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